Leitplanken – Lebensretter mit gefährlichen Schwächen

Leitplanken – Lebensretter mit gefährlichen Schwächen

(Bild, KI, DALL-E)

Auf deutschen Straßen sollen sie Leben retten – Leitplanken gelten als essenzielle Schutzbarriere im Straßenverkehr. Doch die Realität zeigt: Die vermeintlichen Lebensretter bergen selbst erhebliche Gefahren, insbesondere für Motorradfahrer und Lkw-Fahrer. Während moderne Autos schwerer und schneller werden, stammen die Testnormen für diese Rückhaltesysteme oft noch aus den 1980er-Jahren. Die Leitplanken Sicherheit ist längst nicht mehr auf dem Stand der Technik.

Die zentrale Frage lautet: Schützen Leitplanken wirklich noch alle Verkehrsteilnehmer – oder gefährden sie manche sogar?

Moderne Fahrzeuge sprengen alte Sicherheitsnormen

Schwere SUV und E-Autos überfordern klassische Schutzsysteme

Ein spektakulärer Vorfall zeigt, wie schnell die Grenzen klassischer Leitplanken erreicht sind: Ein Porsche verliert bei Nässe die Kontrolle und landet auf der Leitplanke – als wäre er dort gezielt abgesetzt worden. Glück im Unglück, denn die Konstruktion verhinderte Schlimmeres. Doch dieser Fall ist eine Ausnahme. In vielen anderen Szenarien ist die Leitplanken Sicherheit schlicht nicht mehr gewährleistet.

Laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wiegt ein durchschnittlicher Neuwagen heute 1,6 Tonnen – und damit deutlich mehr als die Fahrzeuge der 1980er-Jahre, auf deren Basis die Norm DIN EN 1317 beruht. Die meisten Crashtests für Leitplanken verwenden Fahrzeuggewichte von 900 bis 1.500 Kilogramm – ein völlig veralteter Maßstab.

Betonwände: Schutz oder Bumerang?

Besonders problematisch: Betonschutzwände. Statt Fahrzeuge abzubremsen, prallen manche Modelle so hart zurück, dass sie erneut in den Verkehr geschleudert werden. Airbags lösen dabei nicht immer korrekt aus – ein gefährlicher Systemfehler.

Für Pannenopfer wird die Situation noch heikler: Wer sich – wie vorgeschrieben – hinter einer Leitplanke aufhält, glaubt sich in Sicherheit. Doch bei einem Aufprall durch ein schwereres Fahrzeug kann genau diese Barriere zur Todesfalle werden.

Motorradfahrer – die großen Verlierer der Leitplanken-Planung

Gefahr durch scharfkantige Pfeiler

Für Motorradfahrer sind Leitplanken oft das gefährlichste Hindernis auf der Straße. Michael Lenzen vom Bundesverband der Motorradfahrer (BVDM) bringt es auf den Punkt:

Bei der Konzeption von Leitplanken wurden Motorräder und Lkw vergessen.

Viele der metallischen Leitplanken sind an scharfkantigen Stahlpfosten montiert. Bei einem Sturz können Biker schwerste Verletzungen erleiden – oder schlimmer noch: ihr Leben verlieren. Auch das Durchrutschen unter die Leitplanke birgt tödliche Risiken. Arme, Beine oder der Helm können hängenbleiben und zu katastrophalen Verletzungen führen.

Anpralldämpfer und Unterfahrschutz – ein Anfang, aber keine Lösung

Um die Risiken zu minimieren, entwickelte der BVDM bereits in den späten 80er-Jahren spezielle Anpralldämpfer – Polster, die die scharfen Kanten der Halterungen umhüllen. Später folgte das sogenannte Euskirchener Modell, ein Unterfahrschutz, der die Leitplanke nach unten hin verlängert. Diese Maßnahmen helfen, doch sie sind nur ein Tropfen auf den heißen Asphalt.

„Auch diese Umbauten sind nur Notlösungen“, warnt Lenzen. Vielmehr müsse man die Leitplanken Sicherheit komplett neu denken – und das für alle Verkehrsteilnehmer.

Die Schwächen der Norm DIN EN 1317

Veraltete Testverfahren und unzureichende Simulationen

Die europäische Norm DIN EN 1317 regelt die Anforderungen an Rückhaltesysteme. Doch die darin verankerten Testverfahren sind veraltet. Simulationen mit aktuellen Fahrzeugtypen wie SUVs oder E-Autos fehlen größtenteils. Auch Motorradunfälle werden in den Prüfverfahren kaum berücksichtigt – ein fatales Versäumnis, wenn man bedenkt, wie viele Biker jährlich durch Leitplanken schwer verletzt oder getötet werden.

Was moderne Crashtests leisten müssten

Moderne Tests sollten:

  • Aktuelle Fahrzeuggewichte einbeziehen
  • Motorradstürze realistisch simulieren
  • Unfallverläufe mit Lkw und Transportern berücksichtigen
  • Die Interaktion mit Betonstrukturen kritisch hinterfragen

Nur durch realitätsnahe Tests lassen sich zuverlässige Rückhaltesysteme entwickeln, die allen Anforderungen gerecht werden.

Bauliche und verhaltensbedingte Prävention

Streckenindividuelle Lösungen statt Einheitsmodell

Nicht jede Straße braucht die gleiche Art von Leitplanken. Kurvige Landstraßen, Autobahnen oder innerstädtische Schnellstraßen stellen völlig unterschiedliche Anforderungen. Die Leitplanken Sicherheit muss sich künftig am individuellen Risiko orientieren.

Natürlich wäre es am besten, wenn Unfälle gar nicht erst passieren. Hierzu gehören:

Doch selbst bei bester Vorsicht bleiben Unfälle nicht aus – und dann müssen Leitplanken schützen, nicht töten.

Fazit: Leitplanken brauchen ein Update – für alle Verkehrsteilnehmer

Die Zeit der Einheitslösung ist vorbei. Die Leitplanken Sicherheit muss neu gedacht werden – mit Blick auf moderne Fahrzeuge, die Realität auf deutschen Straßen und die Risiken für alle Verkehrsteilnehmer. Es braucht:

  • neue Materialien,
  • aktualisierte Testnormen,
  • individuelle Lösungen je nach Straßentyp,
  • sowie eine stärkere Berücksichtigung von Motorrad- und Lkw-Fahrern.

Solange das nicht geschieht, bleiben Leitplanken ein zweischneidiges Schwert: Lebensretter in der Theorie – Gefahr in der Praxis.