(Bild, Josh Wilburne, unsplash)
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in einer wichtigen Entscheidung vom 6. Juni 2024 zum Thema Gehwegparken zugunsten der Kläger entschieden. Dieser Fall betrifft das Parken von Fahrzeugen auf Gehwegen, das in bestimmten Situationen die Lebensqualität der Anwohner erheblich einschränken kann. Was das Urteil bedeutet und wie es sich auf die Praxis der Straßenverkehrsbehörden auswirken wird, erläutern wir im Folgenden detailliert.
Hintergrund des Urteils: Was führte zu der Klage?
Im Mittelpunkt des Rechtsstreits stand eine häufige Problematik: Fahrzeuge, die auf Gehwegen parken und somit den Fußgängerverkehr erheblich behindern. Der Fall ereignete sich in Bremen, wo in mehreren Einbahnstraßen Parken auf den Gehwegen an der Tagesordnung war. Doch ohne entsprechende Verkehrsschilder, die dieses Verhalten regulieren, waren die Anwohner machtlos.
Die Situation in Bremen
In den betroffenen Straßen war es üblich, dass Autos beidseitig auf den Gehwegen parkten. Dies führte dazu, dass Fußgänger gezwungen waren, auf die Straße auszuweichen, was nicht nur unkomfortabel war, sondern auch ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellte. Die Breite der Fahrbahnen und Gehwege betrug dabei lediglich 5 bis 5,5 Meter beziehungsweise 1,75 bis 2 Meter, was die Parkmanöver der Fahrzeuge zusätzlich erschwerte.
Die Anwohner sahen sich in ihrem Recht auf ungehinderte Nutzung des Gehwegs stark eingeschränkt. Sie forderten daher die Straßenverkehrsbehörde (StrVB) auf, gegen das Parken auf Gehwegen vorzugehen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Diese Anträge wurden jedoch zunächst abgelehnt. Die Begründung der Behörde war, dass das Parken auf Gehwegen in Einbahnstraßen bereits durch § 12 Abs. 4 und 4a der Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt sei, sodass keine weiteren Verkehrsschilder notwendig seien.
Verlauf des Rechtsstreits: Ein langer Weg zum Sieg
Der Streit zog sich über mehrere Instanzen, ehe das Bundesverwaltungsgericht zu einer endgültigen Entscheidung kam.
Verwaltungsgericht Bremen
Die Anwohner legten Widerspruch ein, der jedoch zunächst erfolglos blieb. Am 11. November 2021 entschied das Verwaltungsgericht Bremen (VG) in erster Instanz jedoch zugunsten der Kläger. Es verpflichtete die Straßenverkehrsbehörde dazu, die Anträge der Anwohner erneut zu prüfen und eine Entscheidung zu treffen.
Oberverwaltungsgericht Bremen
Im darauffolgenden Jahr, am 13. Dezember 2022, fällte das Bremer Oberverwaltungsgericht (OVG) ein Urteil, das die Behörde nicht zur sofortigen Handlung verpflichtete, jedoch feststellte, dass die Anwohner Anspruch auf eine „fehlerfreie Ermessensentscheidung“ hätten. Die Behörden mussten also den Fall erneut prüfen und auf die berechtigten Anliegen der Anwohner eingehen.
Bundesverwaltungsgericht
Schließlich fällte das Bundesverwaltungsgericht am 6. Juni 2024 ein richtungsweisendes Urteil. Es bestätigte die Entscheidung der Vorinstanzen und erklärte das Parken auf Gehwegen ohne spezifische Verkehrsschilder als verbotswidrig. Die Straßenverkehrsbehörde sei verpflichtet, gegen dieses Verhalten vorzugehen, wenn die Nutzung des Gehwegs durch parkende Fahrzeuge erheblich beeinträchtigt werde.
Die Kernaussagen des BVerwG-Urteils
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts setzt klare Maßstäbe im Hinblick auf das Gehwegparken. Einige wichtige Punkte, die aus der Entscheidung hervorgehen, sind:
Drittschützende Wirkung des Gehwegparkverbots
Die Richter stellten fest, dass das Parken auf Gehwegen nicht nur dem allgemeinen Schutz des Straßenverkehrs dient, sondern auch den Anwohnern, deren Nutzung des Gehwegs dadurch eingeschränkt wird. Dieses sogenannte „drittschützende“ Verbot kommt somit nicht nur der Allgemeinheit zugute, sondern schützt auch konkret die Rechte der Anwohner, die sich durch das Gehwegparken beeinträchtigt fühlen.
Ermessensspielraum der StrVB
Obwohl die Straßenverkehrsbehörde verpflichtet ist, gegen das Gehwegparken vorzugehen, wird ihr ein Ermessensspielraum eingeräumt. Angesichts der weiten Verbreitung des Gehwegparkens in Bremen kann die Behörde priorisieren und zunächst die am stärksten betroffenen Bereiche ins Visier nehmen.
Schutzanspruch nur vor dem eigenen Grundstück
Das Urteil betont jedoch auch, dass der Schutzanspruch der Anwohner räumlich begrenzt ist. Der Schutz gilt ausschließlich für den Gehweg direkt vor dem eigenen Grundstück bis zur nächsten Querstraße. Weiter entfernte Straßenabschnitte fallen nicht unter den Schutz des § 12 Abs. 4 und 4a der StVO, da Anwohner dort als Teil des allgemeinen Nutzerkreises gelten und keine besondere Einschränkung der Gehwegnutzung geltend machen können.
Die Auswirkungen auf die Praxis der Straßenverkehrsbehörden
Für die Straßenverkehrsbehörden bedeutet dieses Urteil eine signifikante Änderung in der Handhabung des Gehwegparkens. Sie müssen nun proaktiver in der Regulierung des Parkens auf Gehwegen werden und dabei stärker auf die Bedürfnisse der Anwohner eingehen.
Priorisierung von Maßnahmen
Die Behörden werden künftig gezwungen sein, Maßnahmen zur Beseitigung des Gehwegparkens zu priorisieren. Besonders betroffene Bereiche, in denen die Gehwegnutzung stark eingeschränkt ist, müssen zuerst berücksichtigt werden.
Anwohner als aktive Akteure
Das Urteil stärkt die Rolle der Anwohner als aktive Akteure in der Verkehrsregulierung. Sie haben nun das Recht, die Behörden zum Handeln aufzufordern, wenn das Parken auf Gehwegen ihre Nutzung des Gehwegs einschränkt.
Fazit: Ein wichtiger Schritt für die Lebensqualität in Städten
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2024 ist ein wichtiger Sieg für Anwohner, die sich durch das Parken auf Gehwegen in ihrer Mobilität eingeschränkt fühlen. Es stärkt den Schutz der Fußgänger und stellt sicher, dass Straßenverkehrsbehörden ihrer Verantwortung gerecht werden. Das Urteil könnte weitreichende Auswirkungen auf die Praxis des Gehwegparkens in vielen Städten haben und zu einer besseren Lösung für dieses Problem führen.